Verkehrsentwicklungsplanung

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Der Verkehrsentwicklungsplan (VEP) legt Ziele und Strategien für die Verkehrsinfrastruktur fest, um den Verkehr insgesamt (u.a. motorisierter Individualverkehr, ÖPNV, Rad- und Fußverkehr) möglichst stadtverträglich auszugestalten. Auf diesem Wege können die Lebensqualität erhöht und die verkehrsbedingten Umweltbelastungen reduziert werden. Der VEP kann Bestandteil einer integrierten Stadtentwicklungsplanung sein. Diese Schnittstellenfunktion eröffnet die Option, im VEP auch Aspekte der Sozialstruktur und damit von Umweltgerechtigkeit zu berücksichtigen. Als informeller Plan gehen von einem VEP allerdings keine Bindungen gegenüber Dritten aus. Er kann aber den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung bei ihren Entscheidungen als Orientierungshilfe dienen. Zudem kann sich eine Kommune durch einen politischen Beschluss selbst binden, den VEP umzusetzen.

    Die Verkehrsentwicklungsplanung bedient sich verschiedener informeller Planungsinstrumente. Diese können sich auf einzelne Teilaspekte wie z.B. auf den Radverkehr oder den ÖPNV und auf unterschiedliche Teilräume beziehen. Der sowohl die unterschiedlichen fachlichen Aspekte als auch alle Teilräume umfassende Plan wird in der Regel als Verkehrsentwicklungsplan (VEP), zum Teil auch als Generalverkehrsplan oder Gesamtverkehrsplan bezeichnet. Pläne für den Bereich des Öffentlichen Personennahverkehrs werden als Nahverkehrsplan bezeichnet.

    Als sektoraler Fachplan ist ein VEP der räumlichen Gesamtplanung vorgelagert. In ihm werden die Erfordernisse des Verkehrs als Grundlage der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung analysiert und Ziele für eine stadtverträgliche Entwicklung des Verkehrs sowie die zur Umsetzung dieser Ziele erforderlichen Maßnahmen dargestellt. Zum Teil wird der VEP auch als Baustein eines integrierten Stadtentwicklungskonzeptes aufgestellt (z.B. im Rahmen des Konzeptes „Perspektive München“).

    Inhaltlich legt der Verkehrsentwicklungsplan Ziele und Strategien für die Entwicklung und den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur fest. Im Verkehrsentwicklungsplan werden alle übergeordneten Vorhaben der Stadt im Bereich des Verkehrs festgelegt; zu den verschiedenen Verkehrsmitteln und ihren Einsatzbereichen werden konkrete Aussagen getroffen. Es geht darum, das Verkehrsaufkommen einer Stadt oder Gemeinde zu vermindern, zu verlagern und zu steuern, um es insgesamt möglichst stadtverträglich auszugestalten. Auf diesem Wege können die Lebensqualität erhöht und die verkehrsbedingten Umweltbelastungen reduziert werden. Grundlage für die Aufstellung der Verkehrsentwicklungspläne sind verlässliche Daten der Einwohner- und Mobilitätsstatistik. Aus diesen Daten lassen sich differenzierte Prognosen erstellen, die die voraussichtliche Entwicklung des Verkehrsaufkommens nach den Verkehrsmitteln und Verkehrswegen aufzeigen. Wesentlich ist die Einbindung der Pläne in übergeordnete Planungen ebenso wie in jene von Nachbarregionen.

    Als informeller Plan gehen von einem Verkehrsentwicklungsplan keine Bindungen gegenüber Dritten aus. Der VEP kann den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung, betroffenen Institutionen, Firmen sowie Bürgerinnen und Bürgern bei ihren Entscheidungen als Orientierungshilfe dienen. Die Gemeinde kann sich durch entsprechende Beschlüsse selbst zur Umsetzung des VEP binden. Der VEP hat dann die Wirkung eines Umsetzungsprogramms, welches von den betroffenen Ressorts bzw. Akteuren der Stadtverwaltung arbeitsteilig umzusetzen ist. Im Rahmen der Bauleitplanung ist der VEP in der Abwägung zu berücksichtigen, soweit er vom zuständigen Gemeindeorgan beschlossen wurde (§ 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB). Der VEP ist damit ein konzeptionelles, übergeordnetes Steuerungsinstrument, das die Ziele und Strategien der Stadtentwicklung im Bereich Verkehr darstellt. Der Planungszeitraum kann unterschiedlich ausfallen, beträgt in der Regel jedoch zehn bis 20 Jahre.

    Potenziale für Umweltgerechtigkeit

    Die Verkehrsentwicklungsplanung ist notwendiger Bestandteil der integrierten Stadtentwicklungsplanung und bildet die Grundlage für eine nachhaltige Stadtentwicklung. Wichtige Elemente sind dabei die Prognosen der zu erwartenden Entwicklung des Verkehrs und der sich daraus ableitenden Handlungserfordernisse. Solche Prognosen sind unverzichtbar auch zur Abschätzung der verkehrsbedingten Immissionsbelastungen in den an die Verkehrswege (vor allem Straßen und Schienenwege) angrenzenden Gebieten. Verkehrsentwicklungsplanung kann damit zum einen dazu genutzt werden, bestehende verkehrsbedingte Umweltbelastungen gezielt zu reduzieren. Zum anderen können auch die Folgen der erwarteten Verkehrszunahmen und der daraus resultierenden neuen oder wachsenden Umweltbelastungen rechtzeitig erkannt und durch geeignete Maßnahmen reduziert oder vermieden werden.

    Der VEP der Landeshauptstadt München befasst sich z.B. in einem eigenen Kapitel mit den Umweltwirkungen des Verkehrs und den Möglichkeiten, diese zu beeinflussen (Landeshauptstadt München: o.J.). Dort wird darauf hingewiesen, dass die verkehrlichen Ziele eingebettet sind u.a. auch in die Ziele der Sicherung bzw. Verbesserung von physischen („Gesundheit“) und psychisch-emotionalen Befindlichkeiten der Menschen („Wohlbefinden“) (ebenda: 11) Unter der Überschrift Gesundheitsschutz werden sowohl die Verbesserung der Luftqualität als auch die Lärmminderung explizit als Ziele genannt und verschiedene Maßnahmen hierzu dargestellt. Zu den Maßnahmen gehören

    • die möglichst weitgehende Verkehrsverlagerung auf den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und den nicht motorisierten Verkehr (NMIV) durch siedlungsstrukturelle Maßnahmen sowie den Ausbau des ÖPNV und des NMIV,
    • die Verkehrsbündelung auf Hauptverkehrsstraßen,
    • verkehrslenkende Maßnahmen zur Verstetigung des Verkehrsflusses und zur Verkehrsentlastung,
    • Maßnahmen zur Erhöhung der Stadtverträglichkeit des Hauptverkehrsstraßennetzes.

    Insbesondere die sehr hohen Lärmbelastungen an stark befahrenen Hauptverkehrsstraßen erfordern häufig auch unter dem Gesichtspunkt der Umweltgerechtigkeit ein Handeln der Kommune. Dabei geht es neben den vorgenannten Maßnahmen auch um den besseren Lärmschutz in den anliegenden Wohn-, aber auch Geschäftshäusern. Solche Maßnahmen des passiven Schallschutzes können z.B. sein:

    • der Einbau von Kastenfenstern,
    • die Verglasung bestehender Balkone und Loggien,
    • neue vorgesetzte Lärmschutzfassaden,
    • neue Erschließungsformen, z.B. ein vorgesetzter Laubengang,
    • die Umorganisation bestehender Grundrisse von Wohnungen oder Wohneinheiten,
    • Neubau und Ergänzungsbauten mit verbessertem Schallschutz,
    • die Errichtung von Schallschutzwänden.

    Maßnahmen an den Wohn- oder Geschäftsgebäuden bedürfen der Mitwirkung der betroffenen Eigentümerinnen und Eigentümer. Hier stellt sich vor allem die Frage der Finanzierung. Zum Teil haben die Kommunen eigene Förderprogramme zur Lärmschutz aufgelegt, mit denen Anreize für entsprechende Schallschutzmaßnahme gesetzt werden.

    Insgesamt stellt sich die VEP als ein außerordentlich wichtiges Instrument zur Minderung der verkehrsbedingten Umweltbelastungen dar. Vor allem die Schnittstellenfunktion als Grundlage für die Stadtentwicklung insgesamt eröffnet zugleich auch die Option, Aspekte der Sozialstruktur und damit der Umweltgerechtigkeit mit zu berücksichtigen.

    Ergänzende Instrumente und Synergien mit anderen Instrumenten

    Schnittstellen bestehen einerseits zu den diversen Planungsinstrumenten des gebietsbezogenen Immissionsschutzes, insbesondere zur Lärmaktionsplanung und zur Luftreinhalteplanung. Aufbauend auf den Prognosen und Analysen des VEP zur Entwicklung des Verkehrs ergeben sich auch Anforderungen für die vorgenannten Planungen zum Lärm und zur Luftqualität. Umgekehrt bilden die Ziele der gebietsbezogenen Immissionsschutzplanungen wichtige Grundlagen für eine stadtverträgliche und umweltgerechte Entwicklung des Verkehrs. Soweit der Rad- und Fußgängerverkehr Gegenstand des VEP ist, bestehen zudem Schnittstellen zur Landschafts- und zur Freiraumplanung, da auch diese Planungen Ziele in Bezug auf die Nutzung des Freiraums für Erholungs- und Freizeitzwecke und damit insbesondere auch auf Rad- und Fußwege formulieren.

    Schließlich gibt es Schnittstellen zur räumlichen Gesamtplanung, also zu den förmlichen Planungsinstrumenten der Bauleitplanung, aber auch zu Stadtentwicklungsplänen, indem fachliche Ziele und Maßnahmen der stadtverträglichen Verkehrsentwicklung aufgegriffen werden und die wechselseitigen Implikationen unterschiedlicher Anforderungen an den Raum zu verarbeiten sind.

    Aus den Defiziten leitet sich ab, dass die Verkehrsentwicklungsplanung Wirksamkeit in Bezug auf das Ziel Umweltgerechtigkeit vor allem dann erreichen kann, wenn zu ihrer Umsetzung ausreichende Finanzmittel zur Verfügung stehen. Wichtig ist es daher, die gesamte Palette der verfügbaren Finanzierungsinstrumente in den Blick zu nehmen, also Nutzung der unterschiedlichen Förderprogramme, Bereitstellung der erforderlichen Haushaltsmittel im Rahmen der Möglichkeiten und Einbindung privater Akteure durch finanzielle und sonstige Anreize für Kooperation.

    Literatur

    Verkehrsentwicklungsplan

    Landeshauptstadt München (o.J.): Verkehrsentwicklungsplan. https://www.muenchen.de/rathaus/Stadtverwaltung/Referat-fuer-Stadtplanung-und-Bauordnung/Verkehrsplanung/Verkehrsentwicklungplan-VEP-2006.html (Zugriff am 03.01.2013).

    Fussnote

    Quelle: Redaktionell überarbeiteter Auszug aus: Christa Böhme und Arno Bunzel: Umweltgerechtigkeit im städtischen Raum. Expertise „Instrumente zur Erhaltung und Schaffung von Umweltgerechtigkeit“. Difu-Sonderveröffentlichung. Berlin 2014 (S. 53-56)
    https://difu.de/9304.