Handlungsbedarf ermitteln

In mehrfach belasteten städtischen Teilräumen sollte als erstes der Handlungsbedarf gemeinsam mit der Bewohnerschaft und anderen Vor-Ort-Akteuren ermittelt werden (Gebietsanalysen).

Es liegt auf der Hand, in städtischen Teilräumen, die als mehrfach belastet identifiziert worden sind, herauszufinden, wo hier die (drängenden) Handlungsbedarfe mit Blick auf Umweltgerechtigkeit liegen. Welche gesundheitsrelevanten Umweltbelastungen müssen verringert oder sogar abgebaut, welche gesundheitsförderlichen Umweltressourcen erweitert werden? Und was heißt das ganz konkret, wo genau liegen die Probleme, aber auch die Ressourcen?

Eine solche Analyse sollte in einem ersten Schritt darauf basieren, geeignete quantitative Vertiefungsindikatoren gebietsbezogen aufzubereiten und auszuwerten. Das Deutsche Institut für Urbanistik schlägt hierfür folgende Indikatoren vor:

  • Umweltsituation
    • Belastung durch weitere Lärmquellen wie Schienen-, Flug-, Industrie- und Gewerbelärm,
    • geschätzte Anzahl der Menschen, die in lärmbetroffenen Gebieten leben,
    • kleinräumige Lärmverteilung (gebäudescharfe Bewertung),
    • Qualität öffentlicher Grünflächen (Zugänglichkeit, Ausstattung, Sicherheit, Sauberkeit, Pflegezustand, Umweltbelastung),
    • Überwärmungsgebiete bzw. Gebiete mit Überwärmungspotenzial,
    • Bebauungsdichte (Grundflächenzahl),
    • Lichtimmissionen künstlicher Beleuchtungsanlagen,
  • Soziale Lage
    • Übergangsquote aufs Gymnasium,
    • Schulentlassene der Hauptschule (oder vergleichbarer Schulform) ohne Bildungsabschluss,
  • Gesundheitliche Lage
    • umweltbelastungsspezifische Krankheiten bei Kindern.

Ebenso wie für die vom Difu zur Identifizierung mehrfach belasteter Teilräume empfohlenen Basisindikatoren gilt auch hier: Die vorgeschlagenen Indikatoren sollen Kommunen als Orientierungshilfe dienen, um auf der Basis ihrer individuellen jeweiligen Datenlage ein ortsspezifisches Indikatorenset zu entwickeln.

Auf der indikatorenbasierten Gebietsanalyse aufbauend solllte dann eine qualitative Analyse folgen, bei der es vor allem um Einschätzungen und um Bewertungen geht. Sie muss in starkem Maße aus der Perspektive derjenigen erfolgen, die vor Ort leben, arbeiten, handeln und die Situation als Teil ihres alltäglichen Lebens – letztlich als „Betroffene“ – genau kennen: Quartierbewohner/innen, lokale Gewerbetreibende, Kita- und Schulpersonal sowie andere Vor-Ort-Akteure.

Gefragt ist also eine in starkem Maße partizipativ ausgerichtete Gebietsanalyse. Bereits etablierte Beteiligungsformen wie Stadtteilkonferenzen, Arbeitsgruppen, Quartierstreffs und sonstige Zusammenkünfte beispielsweise in Jugend- und Senioreneinrichtungen oder in Stadtteil- und Sportvereinen können dafür genutzt werden, das Thema Umweltgerechtigkeit einzubringen und eine Gebietsanalyse durchzuführen. Wo es bislang keine Partizipationsstrukturen gibt, sollten diese neu entwickelt werden. Umfangreiche Erfahrungen damit werden seit vielen Jahren im Zuge der Umsetzung des Städtebauförderprogramms Soziale Stadt gemacht – jede Kommune kann auf diesen breit dokumentierten Fundus zurückgreifen.

Fast überall wird sich jedoch das Problem stellen, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen mit den vorhandenen oder neu entwickelten Beteiligungsformaten nicht erreicht werden – Gründe dafür können Sprach- und kulturelle Barrieren, fehlende Übung in der Diskussion mit anderen, resignative Einschätzungen der eigenen Wirksamkeit oder schlicht „Lampenfieber“ sein. Hier gilt es, passgenauere Lösungen zu finden – zum Beispiel aufsuchende und aktivierende Arbeit in einem informelleren Rahmen (Marktplatz-, Haustür- oder Hofgespräche etc.).

In jedem Fall ist es ratsam, in mehrfach belasteten Gebieten einen Kreis verlässlicher Multiplikator/innen aufzubauen, der Zugänge zu Betroffenen herstellen kann. Hierzu zählen zum Beispiel Kitaleitungen, Lehrer/innen, Projektakteure, Vertreter/innen von Umwelt- und Naturschutzverbänden, Bürgerinitiativen oder auch engagierte Einzelpersonen.

Insgesamt zeigt sich: Kommunale Beteiligungskultur und Methodenkompetenz sind gefragt! Das „Ob“ ist zweifelsohne innerhalb von Politik und Verwaltung zu klären. Mit dem technischen „Wie?“ können auch Expertinnen und Experten „von draußen“ beauftragt werden.