Die kreisfreie Stadt Kassel im Bundesland Hessen steht für Kommunen, die sich dem Ansatz Umweltgerechtigkeit zunächst durch eine intensive Analyse- und Konzeptarbeit auf gesamtstädtischer Ebene nähern. Hier war und ist es ein wichtiges Ziel, neben der gesamtstädtische Analyse zur Identifizierung mehrfach belasteter Teilräume die Anschlussfähigkeit bzw. die Schnittstellen von Programmen, Konzepten und Planungen, die bereits umgesetzt werden, mit Blick auf Umweltgerechtigkeit zu identifizieren und nutzbar zu machen. Dies basiert in Kassel auf einem ausgeprägten, stark integrativen Organisationsansatz in der Verwaltung. Weitere Konkretisierungen insbesondere auf der Umsetzungsebene von Stadtteilen und/oder Quartieren stehen noch aus und sind Gegenstand der weiteren Beschäftigung mit dem Ansatz Umweltgerechtigkeit.
- Bevölkerungszahl (2016): 199.062
- Bevölkerungsentwicklung 2011-2016: +3,8%
- Arbeitslosenquote (2018): 12,1%
- SGB-II-Quote (2016): 14,6%
- Kinderarmut (2016): 26,1%
- Anteil Siedlungs- und Verkehrsfläche (2016): 60,7%
- Siedlungsdichte (2016): 3.059 EW/km² Siedlungs- und Verkehrsfläche
- Erholungsfläche je EW (2016): 61 m²
- Zielsetzung einer gesunden Stadt und angestrebter Aufbau eier integrierten Umweltplanung
- verwaltungsinterne Klärung des Begriffs Umweltgerechtigkeit und Zieldiskussion
- sowohl Defizit- als auch Ressourcenorientierung mit Blick auf Umweltgerechtigkeit
- Zugang zum Thema Umweltgerechtigkeit zum einen über die kleinräumige Analyse von Umweltsituation, sozialer und gesundheitlicher Lage auf gesamtstädtischer Ebene (Umweltgerechtigkeit als Analyseinstrument), zum anderen mittels Überlegungen zur Integration des Ansatzes in Programme, Konzepte und Planungen sowie zur Etablierung eines Umsetzungsprozesses auf Quartiersebene (Umweltgerechtigkeit als Handlungsinstrument)
- Auswahl von Basisindikatoren zu Umweltgerechtigkeit und kleinräumige Auswertung der zugrundeliegenden Daten für die Bereiche Umweltsituation, soziale Lage und gesundheitliche Lage
- GIS-gestützte Visualisierung der Daten zu den Basisindikatoren:
- erster Schritt: Aufbereitung und Visualisierung der Basisindikatoren in thematischen Einzelkarten (u.a. Lärmbelastung, Freiraumversorgung, Kinderarmut, Übergewicht bei Schuleingangsuntersuchung
- zweiter Schritt: Aggregation der Daten, um Mehrfachbelastungskarten (Umweltsituation, Soziale Lage, Umweltsituation und soziale Lage) zu erstellen
- Erstellung von Quartiers- bzw. Wahlkreisbezirksprofilen: für jeden der 153 städtischen Wahlbezirke wurde ein Profildiagramm erstellt, das zeigt, bei welchen Indikatoren zur demografischen Entwicklung (u.a. Bevölkerungsentwicklung, Altersdurchschnitt, Fluktuation), Sozialstruktur und Umweltsituation die einzelnen Wahlbezirke besonders deutlich vom gesamtstädtischen Mittelwert abweichen
Mehrfache Umweltbelastungen (bezogen auf betroffene Personen je Wahlbezirk) Quelle: Stadt Kassel, Stadtplanung, Bauaufsicht und Denkmalschutz
Einbindung der Indikatoren zu Umweltgerechtigkeit in das Integrierte Berichtswesen
- Die Stadt Kassel plant ihre Integrierte Berichterstattung ab dem Jahr 2019 um das Thema Umweltgerechtigkeit zu erweitern und die in der gesamtstädtischen Analyse verwendeten Indikatoren zu Umweltgerechtigkeit in die Berichterstattung einzubinden.
Integration des Ansatzes Umweltgerechtigkeit in Programme, Konzepte und Planungen
- erster Schritt: Identifizierung fachbezogener Programme, Konzepte und Planungen der einzelnen Zuständigkeitsbereiche der Kasseler Verwaltung, die Bezüge zum Thema Umweltgerechtigkeit aufweisen
- zweiter Schritt: Identifizierung der Schnittstellen der Programme, Konzepte und Planungen im Einzelnen und anhand folgender Kriterien:
- Relevanz für die Verbesserung gesundheitsrelevanter Umweltbedingungen (gebaute und natürliche Umwelt)
- Soziallagenorientierung
- sozialräumliche Differenzierung/ Sozialraumbezug
- dritter Schritt (laufender Prozess): Qualifizierung ausgewählter Programme, Konzepte und Planungen mit Blick auf Umweltgerechtigkeit, u.a.
- Verkehrsentwicklungsplan
- Integriertes Stadtentwicklungskonzept Kasseler Osten
- Lärmaktionsplan
- Luftreinhalteplanung/ Integrierter Aktionsplan Luft
- Konzept zum gesamtstädtischen Grün
Umsetzung des Ansatzes Umweltgerechtigkeit auf Quartiersebene: Beispielgebiet „Nördliche Unterneustadt“
- auf Basis der Ergebnisse aus der gesamtstädtischen Analyse und unter Hinzuziehung von Vertiefungsindikatoren Auswahl der „Nördlichen Unterneustadt“ im Kasseler Osten als ein mehrfach belastetes Beispielquartier
- erster Schritt: Identifizierung von Zielen, Strategien und Maßnahmen des bereits vorhandenen Integrierten Stadtteilentwicklungskonzeptes (ISEK) Kasseler Osten mit Bezug zum Thema Umweltgerechtigkeit für das Gebiet, u.a.:
- wohnungsnahe öffentliche Grünflächen aufwerten bzw. entwickeln
- Wärmeinseln abbauen, z.B. durch Nachbegrünung
- Emissionsbelastungen abbauen
- Gesundheitsförderung für alle Bevölkerungsgruppen und gesundheitliche Chancengleichheit verbessern
- zweiter Schritt: Verschneidung der Ziele, Strategien und Maßnahmen des ISEK Kasseler Osten mit in der Detailanalyse gewonnenen Daten und Informationen zu gesundheitsbezogenen Umweltbelastungen und -ressourcen im Beispielquartier mit dem Ziel, Lücken mit Blick auf die Schaffung von Umweltgerechtigkeit zu identifizieren und daraus zusätzlich erforderliche Ziele, Strategien und Maßnahmen abzuleiten und zu entwickeln, u.a.:
- Realisierung von (städtebaulichen) Maßnahmen des Lärmschutzes (Umbau der Straßen/Tunnellösungen, Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30km/h)
- Schaffung grüner Innenhöfe
- Stadtteilangebote für Bewegung, Sport, Gesundheit
- Verbesserung des (Abend-)Taktes im öffentlichen Personennahverkehr,
- Einrichtung einer E-Bike-Verleihstation im Quartier mit sozial gestaffelten Preisen
- alternativ: Prüfung der Erabeitung eines Fachbeitrags Umweltgerechtigkeit
- dritter Schritt (laufend): Weiterentwicklung des bestehenden ISEK für das Beispielgebiet zu einem „ISEK plus“, um damit instrumentell einen neuen Schritt für mehr Umweltgerechtigkeit zu gehen
Die Stadt Kassel hat verschiedene dezernatsübergreifende Akteurskonstellationen für die (Weiter-) Entwicklung des Ansatzes Umweltgerechtigkeit etabliert:
Projektgruppe Umweltgerechtigkeit
- Dezernentin für Jugend, Frauen, Gesundheit und Bildung mit Referentin/Dezernatskoordination
- Dezernent für Stadtentwicklung, Bauen und Umwelt mit Referentin/Dezernatskoordination
- Umwelt- und Gartenamt (Projektleitung)
- Stadtplanung, Bauaufsicht, und Denkmalschutz
- Vermessung und Geoinformation
- Bauverwaltungsamt
- Straßenverkehrs- und Tiefbauamt
- Gesundheitsamt Region Kassel
- Jugendamt
- Frauenbüro
- Sozialamt, Referat für Altenhilfe
- Hauptamt, Zukunftsbüro
- Personal- und Organisationsamt, Fachstelle Statistik
Arbeitsgruppen zu Einzelthemen von Umweltgerechtigkeit (zusammengesetzt aus Mitgliedern der Projektgruppe)
- AG 1: Begriff und Konzept
- AG 2: Gesamtstädtische Analysen und Karten
- AG 3: Beispielgebiet
Böhme, Christa, Thomas Franke, Thomas Preuß (2019): Umsetzung einer integrierten Strategie zu Umweltgerechtigkeit – Pilotprojekt in deutschen Kommunen. Dessau-Roßlau (Umwelt & Gesundheit 02/2019, Hrsg.: Umweltbundesamt).
Dr. Anja Starick
Stadt Kassel
Umwelt- und Gartenamt
Bosestraße 15, 34121 Kassel
Tel.: 0561/787-7007
E-Mail: Anja.Starick@kassel.de
Katja Schöne
Stadt Kassel
Dezernat V - Jugend, Schule, Frauen, Gesundheit
Obere Königsstraße 8 / Rathaus, 34112 Kassel
Tel.: 0561/787-4072
E-Mail: Katja.Schoene@kassel.de