Anlagenbezogener Immissionsschutz

Foto einer Industrieanlage

Der anlagenbezogene Immissionsschutz soll den Menschen vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Immissionen schützen, die von Betriebsstätten und sonstige Anlagen ausgehen. Dabei wird ein weiter und umfassender Immissionsbegriff zugrunde. Erfasst sind Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen, die auf den Menschen einwirken. Das Immissionsschutzrecht folgt damit dem Vorsorgeprinzip und setzt deutlich vor der Gefahrenschwelle ein. Zu den Pflichten der Betreiber von Anlagen gehört es, Vorsorge gegen solche schädlichen Umwelteinwirkungen zu treffen. Dabei geht es nicht nur um neue Anlagen, auch bei bereits genehmigten (Alt-)Anlagen kann die Immissionsschutzbehörde – unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips – eine nachträgliche Anordnung zur Durchsetzung immissionsschutzrechtlicher Anforderungen und Pflichten treffen.

    Immissionen von Verkehrswegen, Betrieben und sonstigen Anlagen sind ein wesentlicher Wirkfaktor bei der Beurteilung der auf den Menschen und seine Gesundheit sich auswirkenden Umweltbedingungen. Neben dem gebietsbezogenen Immissionsschutz der Luftreinhalte- und Lärmminderungsplanung spielt daher auch der anlagenbezogene Immissionsschutz eine zentrale Rolle, um gesunde Wohn- und Arbeitsbedingungen zu gewährleisten. Die Rechtsgrundlagen hierfür sind im Wesentlichen im Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) sowie in den auf der Grundlage dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen und technischen Regelwerken (TA Lärm und TA Luft) geregelt. Ergänzende Anforderungen ergeben sich zum Teil nach Landesrecht.

    Das anlagenbezogene Immissionsschutzrecht bezieht sich auf Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen, Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen und Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Immissionen verursachen können (§ 3 Abs. 5 BImSchG). Öffentliche Verkehrswege werden nicht als Anlagen in diesem Sinne angesehen. Für die von diesen ausgehenden Immissionen gelten gesonderte Anforderungen, genauso wie für Fluglärm.

    Dabei geht es nicht nur um die Errichtung neuer und die Erweiterung bestehender Anlagen. Auch die Verbesserung der Umweltschutzstandards an bestehenden Anlagen sowie die Überwachung des Betriebs sind Gegenstand des anlagenbezogenen Immissionsschutzrechts.

    Das Immissionsschutzrecht bezweckt insbesondere den Schutz des Menschen vor schädlichen Umwelteinwirkungen. Schädliche Umwelteinwirkungen sollen vermieden werden. In Bezug auf genehmigungsbedürftige Anlagen formuliert das BImSchG den Zweck noch weitergehender. Durch eine integrierte Vermeidung und Verminderung schädlicher Umwelteinwirkungen soll ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt erreicht werden (§ 1 Abs. 2 BImSchG). Es geht dabei sowohl um den Schutz als auch um die Vorsorge gegen Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen. Dem Immissionsschutzrecht liegt ein weiter und umfassender Immissionsbegriff zugrunde. Erfasst sind Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen, die auf den Menschen oder ein anderes Schutzgut einwirken. Luftverunreinigungen sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe (§ 3 Abs. 3 BImSchG).

    Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen, die aufgrund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebs in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen oder in anderer Weise die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gefährden, erheblich zu benachteiligen oder erheblich zu belästigen, bedürfen einer Genehmigung nach den Bestimmungen des BImSchG (§ 4 Abs. 1 BImSchG). Welche Anlagen dies sind, ergibt sich aus der 4. Verordnung zum BImSchG (4. BImSchV). Für Anlagen, die nach dieser Verordnung nicht genehmigungspflichtig sind, ergeben sich gleichwohl immissionsschutzrechtliche Anforderungen nach den §§ 22 bis 25 BImSchG, da auch von diesen schädliche Umweltauswirkungen ausgehen können. Hierher gehören etwa auch Sportanlagen,

    für die die Anforderungen in der Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) konkretisiert werden.

    Anlagen, die nach der 4. BImSchV genehmigungspflichtig sind, sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können und Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG). Zu diesem Zweck sind geeignete Maßnahmen und Vorkehrungen zu treffen, die sich am Stand der Technik orientieren müssen. Daneben werden auch Anforderungen in Bezug auf die Vermeidung von Abfällen sowie auf die sparsame und effiziente Verwendung von Energie gestellt

    Soweit kein Genehmigungsverfahren nach den Bestimmungen des BImSchG durchzuführen ist, ist § 22 BImSchG zu beachten. Danach sind die Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. Nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen sind auf ein Mindestmaß zu beschränken. Zur Einhaltung dieser Anforderungen können Anordnungen erfolgen (§ 24 BImSchG). Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Betrieb der Anlage auch untersagt werden (§ 25 BImSchG).

    Zur Konkretisierung der Anforderungen bei genehmigungspflichtigen genauso wie bei nicht genehmigungspflichtigen Anlagen dienen eine Vielzahl von Rechtsverordnungen sowie die TA Lärm und die TA Luft. Daneben gibt es eine große Zahl an technischen Regelwerken zur Beurteilung unterschiedlicher Immissionen wie z.B. DIN-Vorschriften zur Beurteilung von Geruchsimmissionen, Hinweise und Anleitungen des Länderausschusses für Immissionsschutz LAI (z.B. Hinweise des LAI zu den Möglichkeiten der Minderung diffuser Staubimmissionen aus Anlagen) oder anderer Institutionen (z.B. Richtlinien der Länder wie z.B. die Geruchsimmissions-Richtlinie GIRL).

    Besondere praktische Relevanz für den anlagenbezogenen Immissionsschutz haben die TA Luft und die TA Lärm. Die TA Lärm dient dem Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche sowie der Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch Geräusche. Sie gilt sowohl für genehmigungsbedürftige als auch für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen. Die TA Luft enthält Vorschriften zum Schutz der Nachbarn vor unvertretbar hohen Schadstoffbelastungen, z.B. aus Industrieanlagen. So werden höchstzulässige Konzentrationen für einige besonders bedeutsame Schadstoffe, z.B. Staub und Benzol, in der Atemluft festgelegt, die für die Genehmigung von Anlagen beachtlich sind. Zudem enthält die TA Luft Anforderungen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und legt entsprechende Immissionswerte für alle relevanten Luftschadstoffe fest. Auch Altanlagen müssen nach angemessenen Übergangsfristen grundsätzlich an den Stand der Technik und damit an das Immissionsniveau von Neuanlagen herangeführt werden (Jarass 2012: § 22 Rn. 41).

    Potenziale für Umweltgerechtigkeit

    Das Immissionsschutzrecht enthält ein umfassendes Instrumentarium, um die von Anlagen ausgehenden schädlichen Umwelteinwirkungen durch Immissionen zu vermeiden. Die danach bestehenden Anforderungen gehen weit über das hinaus, was nach den Prinzipien der polizeirechtlichen Gefahrenabwehr erforderlich ist. Das Immissionsschutzrecht folgt dem Vorsorgeprinzip, setzt also deutlich vor der Gefahrenschwelle im Sinne eines vorbeugenden Umweltschutzes ein (Jarass 2012: § 5 Rn. 46). Zu den Pflichten der Betreiber von Anlagen gehört es, Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen zu treffen. Dabei sind die Anforderungen dynamisch angelegt und müssen sich an den Stand der Technik anpassen (Jarass 2012: § 5 Rn. 2). Dies wird zum einen durch den Genehmigungsvorbehalt für entsprechende Anlagen sichergestellt. Die Genehmigungsbehörde kann die Genehmigung mit differenzierten Auflagen zur Gewährleistung der gesetzlichen Zielvorgaben verbinden. Die Anforderungen des anlagenbezogenen Immissionsschutzrechtes beziehen sich zum anderen aber auch auf bereits bestandskräftig genehmigte (Alt-)Anlagen. Insbesondere kann die Immissionsschutzbehörde eine nachträgliche Anordnung zur Durchsetzung immissionsschutzrechtlicher Anforderungen und Pflichten treffen und z.B. Grenzwerte für Immissionen neu festlegen (§ 17 BImSchG). Auf diesem Wege kann auf Änderungen an der Anlage, in deren Umfeld sowie auf die Weiterentwicklung von technischen Möglichkeiten (Stand der Technik) und rechtlichen Anforderungen flexibel reagiert werden. Der Bestandsschutz ist hier im Interesse eines vorsorgenden Umweltschutzes eingeschränkt. Grundsätzlich besteht damit die Möglichkeit, dass Immissionsschutzniveau auch bei bestehenden Anlagen sukzessive mit der Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten anzuheben. Allerdings ist aus verfassungsrechtlichen Gründen insbesondere das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten. Unverhältnismäßige Anordnungen sind danach unzulässig, wobei zur Beurteilung der Verhältnismäßigkeit zum einen die Frage zu klären ist, ob das gleiche auch mit weniger einschneidenden Mitteln erreicht werden kann, und zum anderen eine Bewertung von Aufwand und Nutzen vorzunehmen ist (Jarass 2012: § 17 Rn. 42 ff.).

    Zur Überwachung der von einer Anlage ausgehenden Immissionen kann die Immissionsschutzbehörde Einzelmessungen oder auch kontinuierliche Messungen anordnen (§§ 28 und 29 BImSchG). Zudem ist der Betreiber einer genehmigungsbedürftigen Anlage verpflichtet, der zuständigen Behörde innerhalb einer von dieser zu setzenden Frist Angaben zu machen über Art, Menge, räumliche und zeitliche Verteilung der Luftverunreinigungen, die von der Anlage in einem bestimmten Zeitraum ausgegangen sind, sowie über die Austrittsbedingungen (Immissionserklärung nach § 27 BImSchG). Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Immissionsschutzbehörde auch eine sicherheitstechnische Prüfung der Anlage anordnen (§ 29a BImSchG). Insgesamt bestehen damit ein weitreichendes Instrumentarium zur Überwachung der von Anlagen ausgehenden Umwelteinwirkungen und eine gute Grundlage, die mit dem BImSchG verfolgten Ziele eines vorsorgenden Umweltschutzes umzusetzen.

    Dies gilt im Grundsatz auch für solche Anlagen, für die kein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren durchzuführen ist. Auch für diese Anlagen besteht neben dem Genehmigungsvorbehalt die Möglichkeit nachträglicher Anordnung (§ 24 BImSchG) und als letzte Möglichkeit die Untersagung des Betriebs der Anlage (§ 25 BImSchG).

    Die Potenziale des anlagenbezogenen Immissionsschutzrechtes dürfen allerdings auch nicht überschätzt werden. Anknüpfungspunkt ist immer nur das konkrete immissionsschutzrechtlich relevante Vorhaben. Eine Gesamtbetrachtung der Immissionsbelastung und erst recht eine Gesamtbetrachtung aller Umweltbelastungen im Einwirkungsbereich des Vorhabens finden nicht statt.

    Ergänzende Instrumente und Synergien mit anderen Instrumenten

    Das anlagenbezogene Immissionsschutzrecht stellt einen wichtigen Baustein im System des vorsorgenden Umweltschutzes dar. Es korrespondiert mit den Regelungen des Bauplanungsrechts, insbesondere mit den Festsetzungen in Bebauungsplänen, genauso wie mit dem gebietsbezogenen Immissionsschutzrecht.

    Literatur
    Fussnote

    Quelle: Redaktionell überarbeiteter Auszug aus: Christa Böhme und Arno Bunzel: Umweltgerechtigkeit im städtischen Raum. Expertise „Instrumente zur Erhaltung und Schaffung von Umweltgerechtigkeit“. Difu-Sonderveröffentlichung. Berlin 2014 (S. 25-29)
    https://difu.de/9304.