Foto: Menschen betrachten das Modell einer Innenstadt

Neben gesetzlichen Beteiligungsvorschriften für die meisten Planungsverfahren gibt es vielfältige informelle Möglichkeiten, die Öffentlichkeit in Stadtentwicklungsprozesse einzubinden (Planungswerkstatt, Stadtteilkonferenz, Stadtteilbegehung, Verfügungsfonds). Beteiligung ist auch ein wichtiger und unverzichtbarer Aspekt von Umweltgerechtigkeit. Bei der Analyse von Gebieten mit mehrfachen und hohen Umweltbelastungen lassen sich durch die Beteiligung der Bewohnerschaft zusätzliche Erkenntnisse erwarten, und bei der Entwicklung von Maßnahmen können die Betroffenen Vorschläge einbringen und ihre Präferenzen verdeutlichen. Zudem kann die Bewohnerschaft dazu angeregt und unterstützt werden, sich für eine Verbesserung der Umweltbedingungen einzusetzen und hierzu aktiv beizutragen.

    Die Beteiligung der Öffentlichkeit und insbesondere der Betroffenen in einem Gebiet hat vor allem im Städtebau eine lange Tradition. Sie ist verpflichtendes Element in der förmlichen Ausgestaltung der Bauleitplanung, bei Planfeststellungsverfahren und bei allen Verfahren, im Rahmen derer eine Umweltverträglichkeitsprüfung oder eine Umweltprüfung durchgeführt werden muss. Vor allem werden der Öffentlichkeitsbeteiligung dabei folgende Funktionen beigemessen:

    • das spezifische Wissen der von der Planung oder dem Vorhaben betroffenen Personen soll einbezogen werden, um die Entscheidungsgrundlage zu verbessern,
    • die spezifischen Wünsche und Bedürfnisse der Betroffenen können erfasst und in die Entscheidung einbezogen werden,
    • die Transparenz des Verfahrens fördert die Akzeptanz von Entscheidungen,
    • die zu treffenden Entscheidungen sollen zusätzlich demokratisch legitimiert werden.

    Für die meisten Planungsverfahren bestehen gesetzliche Beteiligungsvorschriften. Die Öffentlichkeit soll informiert werden, um für die Akzeptanz der Planung oder eines Vorhabens zu werben. Zugleich dient die Öffentlichkeitsbeteiligung der Ermittlung der für die Planung relevanten öffentlichen und privaten Belange. Vor allem im Bereich des besonderen Städtebaurechts wird die Öffentlichkeitsbeteiligung durch das Instrument der Sozialplanung als qualifizierte Form der Beteiligung ergänzt, mit dem die sozialen Folgen z.B. von Sanierungs- und Stadtumbaumaßnahmen abgemildert werden sollen (§ 180 BauGB).

    Die Beteiligung der Öffentlichkeit ist auch ein wichtiges Element der Umweltverträglichkeitsprüfung oder der Umweltprüfung. Die Öffentlichkeit wird hierbei ebenfalls als Informationsquelle genutzt, um auf die vorhandenen Umweltbedingungen und die möglichen Umweltauswirkungen von Vorhaben und Planungen aufmerksam zu werden. Zugleich dient die Öffentlichkeit auch als Kontrollinstanz für eine den gesetzlichen Anforderungen gerecht werdende Berücksichtigung der Belange des Umwelt- und Gesundheitsschutzes.

    Die Beteiligung dient dabei immer auch dazu, die Tragfähigkeit einer Maßnahme oder eines Vorhabens im politischen Raum und in der Öffentlichkeit insgesamt zu verbessern. Politik und Verwaltung können durch Beteiligung das Risiko verringern, an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbei zu handeln.

    Im Zusammenhang mit Maßnahmen im Siedlungsbestand geht es häufig auch um die Aktivierung der Betroffenen (SenStadtUm 2011: 60). Die in einem Gebiet ansässigen Akteure – insbesondere die Quartiersbevölkerung – sollen dazu animiert werden, selbst Beiträge zur Verbesserung der Lebensbedingungen in ihren Quartieren zu übernehmen. Besonders ausgeprägt ist dieser Ansatz im Bereich der sozialen Stadtteilentwicklung, in der z.B. Quartiersmanager als Ansprechpartner für die Akteure vor Ort dienen und private Initiativen unterstützen. Daneben gibt es vielfältige weitere Möglichkeiten, die Öffentlichkeit in den Entscheidungsprozess zu stadtentwicklungspolitischen Prozessen einzubinden (Planungswerkstätten, Planungszellen, Planungsräte etc.) und damit über die formale und gesetzlich vorgesehene Beteiligung hinaus zu gehen.

    Potenziale für Umweltgerechtigkeit

    Öffentlichkeitsbeteiligung ist die Voraussetzung für eine sozialverträgliche Gestaltung von gebietsbezogenen Maßnahmen insbesondere bei Stadtumbau- und bei Neuordnungsprozessen. Vor allem bei der Analyse der Gebiete mit mehrfachen und hohen Umweltbelastungen kann die Beteiligung der davon unmittelbar betroffenen Bewohner des Gebiets zusätzliche Erkenntnisse liefern. Bei der darauf aufsetzenden Entwicklung von Maßnahmenkonzepten können die Betroffenen durch Vorschläge ihre Präferenzen verdeutlichen. Eine Planung an den Betroffenen vorbei kann vermieden und die Umsetzungschancen bei höherer Akzeptanz verbessert werden. Soweit die Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen das Mitwirken von Bewohnern, Betrieben, Eigentümern oder anderen Akteuren im Gebiet erfordert, ist deren rechtzeitige partizipative Einbindung Voraussetzung für das gemeinsame Vorgehen. Zudem können die in dem Gebiet wohnenden und arbeitenden Menschen im Sinne von Aktivierung dazu angeregt und unterstützt werden, sich für eine Verbesserung der Umweltbedingungen einzusetzen und hierzu aktiv beizutragen. Gleichzeitig kann eine solche Befähigung zum aktiven Handeln dazu beitragen, die Vulnerabilität der Menschen für umweltbedingte Gesundheitsrisiken zu reduzieren (Bunge 2012: 183).

    Auch zur Sensibilisierung der politischen Entscheidungsträger kann Öffentlichkeitsbeteiligung eine wichtige Funktion übernehmen. Die Information und die öffentliche Debatte über die Lage der Umweltgerechtigkeit in einer Gemeinde stellt erst die Grundlage für darauf gerichtete politische Willensbildungsprozesse dar.

    Ergänzende Instrumente und Synergien mit anderen Instrumenten

    Öffentlichkeitsbeteiligung und Partizipation sind unverzichtbare Elemente einer Strategie für mehr Umweltgerechtigkeit und ergänzen damit alle relevanten Planungs- und Umsetzungsinstrumente.

    Literatur

    Handbuch zur Partizipation

    SenStadtUm – Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin (Hrsg., 2011): Handbuch zur Partizipation, Berlin (Bearbei-tung: L.I.S.T. Stadtentwicklungsgesellschaft mbH).

    Fussnote

    Quelle: Redaktionell überarbeiteter Auszug aus: Christa Böhme und Arno Bunzel: Umweltgerechtigkeit im städtischen Raum. Expertise „Instrumente zur Erhaltung und Schaffung von Umweltgerechtigkeit“. Difu-Sonderveröffentlichung. Berlin 2014 (S. 74-76)
    https://difu.de/publikationen/2014/umweltgerechtigkeit-im-staedtischen-raum-expertise.html.