Wie alle Strategien integrierter Stadt- und Quartiersentwicklung ist auch der integrierte Ansatz Umweltgerechtigkeit in starkem Maße auf Kommunikation, Koordinierung, Kooperation, Koproduktion und Vernetzung verschiedener Akteure innerhalb und außerhalb von Politik und Verwaltung angewiesen. So ist es ebenso zentral, „betroffene“ Bevölkerungsgruppen einzubeziehen, wie eine gut funktionierende Zusammenarbeit verschiedener Fachbereiche auf der kommunalen Verwaltungsebene zu gewährleisten. Von daher können die fünf operativen Kernelemente integrierter Stadt(teil)entwicklung auch mit Blick auf Fragen der Organisation und Steuerung von Umweltgerechtigkeit als wesentliche „Eckpfeiler“ zu Grunde gelegt werden:
Ein professionelles Management integrierter, stadtteil- bzw. quartiersbezogener Entwicklungsprozesse – ob allgemein oder spezifisch unter dem Aspekt Umweltgerechtigkeit – kann sich sinnvollerweise nicht allein auf die Kommunalverwaltung beschränken. Auch vor Ort muss vernetzt, kommuniziert, organisiert, beteiligt werden, und zwischen Verwaltung und „Alltagswelt“ bedarf es ebenfalls Abstimmung, Koordinierung, Informationsarbeit. Außerdem sollten Akteure einbezogen werden, die weder der Verwaltungs- noch der Vor-Ort-Ebene zugerechnet werden können, jedoch im Quartier eine wichtige Rolle spielen können; dazu gehören Stiftungen, Träger sozialer Einrichtungen oder (große) Unternehmen mit ihren Ressourcen. An allen drei „Orten“ – Verwaltung, Quartier und dem „Dazwischen“ – fallen somit spezifische Aufgaben an, die am besten jeweils dort in Angriff genommen werden sollten, wo sie auch am besten zu bearbeiten sind.
Eine Grundlage für Diskussionen über Organisations- und Beteiligungsstrukturen im Kontext des integrativen Ansatzes ist ein Managementmodell, das im Jahr 2002 gemeinsam vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) und dem Institut für Stadtteilentwicklung, Sozialraumorientierte Arbeit und Beratung (ISSAB) der Universität Duisburg-Essen entwickelt wurde und auch hier zu Grunde gelegt wird: Franke, Thomas und Gaby Grimm (2002): Quartiersmanagement: Systematisierung und Begriffsbestimmung. In: Bertelsmann Stiftung, Hans-Böckler-Stiftung, KGSt (Hrsg.): Quartiersmanagement – Ein strategischer Stadt(teil)entwicklungsansatz. Organisationsmodell und Praxisbeispiele. Hannover: 5-12.
Im Kontext von Umweltgerechtigkeit als vergleichsweise neuem integrierten Ansatz stellt sich die Frage, welche bereits etablierten Strukturelemente in der Verwaltung, vor Ort und im „intermediären“ Bereich genutzt bzw. wie sie durch neue Elemente ergänzt werden können und sollten. Es gilt, Doppelstrukturen zu vermeiden, Lücken zu schließen und Bestehendes (weiter) zu qualifizieren.
Umweltgerechtigkeit tangiert verschiedene Verwaltungsbereiche gleichzeitig: Stadtplanung, Stadtentwicklung, Umwelt, Grün, Verkehr, Gesundheit, Soziales, Jugend etc. Es ist wichtig, das Thema in den einzelnen Fachbereichen zu verankern Damit aber Umweltgerechtigkeit „aus einer Hand“ entstehen kann, genügt diese Verankerung in vielen Kommunalverwaltungen noch nicht. Vielmehr kann es sinnvoll oder gar notwendig sein, temporäre bis dauerhaft institutionalisierte Möglichkeiten einer ämterübergreifender Zusammenarbeit zu schaffen: Es geht hier um eine Bündelung von Fachwissen und finanziellen Ressourcen mit Blick auf Umweltgerechtigkeit. Wichtig ist dabei, auf der Verwaltungsebene eine klare Federführung für den Ansatz Umweltgerechtigkeit zu benennen. Hilfreich ist auch, im federführenden Ressort eine zentrale Ansprechperson zu benennen – sowohl für die Kolleg/innen der verschiedenen Verwaltungsbereiche selbst als auch für Akteure auf der Stadtteil-/ Quartiersebene.
Insgesamt gilt: Die Ausgestaltung ressortübergreifender Arbeitsstrukturen auf der Verwaltungsebene – institutionalisiert oder doch „nur“ informell, turnusmäßig oder eher anlassbezogen – sollte von der jeweiligen Stadtgröße und den sich daraus ergebenden Notwendigkeiten abhängig gemacht und „passgenau“ gestaltet werden (Anzahl unterschiedlicher Verwaltungsbereiche, „Nähe“ zueinander etc.).
Auf der Quartiersebene geht es darum, lokale Akteure zum Thema Umweltgerechtigkeit miteinander zu vernetzen, die Quartiersbevölkerung in Situations- und Bedarfsanalysen bis hin zur Planung und Umsetzung von Maßnahmen und Projekten einzubeziehen sowie den regelmäßigen Austausch untereinander und mit der Verwaltung zu organisieren. Dazu eignen sich – analog zu den Organisationsstrukturen in Programmgebieten der Sozialen Stadt – insbesondere Stadtteil- oder Quartiermanager/innen und/oder, Gemeinwesenarbeiter/innen. Das Management vor Ort hat vor allem eine „Motoren“- und „Kümmerer“-Funktion und ist im Idealfall hier auch „fest“ erreichbar (im Stadtteilbüro, im Nachbarschaftszentrum oder an anderen „prominenten“ Orten im Quartier).
Zwischen diesen beiden Ebenen gilt es, die Verwaltungs- und die „lebensweltliche“ Vor-Ort-Ebene miteinander zu vernetzen, um auch hier den Informationsfluss sowie Verfahrenstransparenz sicherzustellen. Auch geht es darum, in diesem „intermediären Bereich“ Akteure einzubeziehen, die weder der Verwaltungs- noch der Stadtteil- oder Quartiersebene unmittelbar zuzurechnen sind (z.B. Unternehmen, Umweltverbände). Im „intermediären“ Bereich stehen somit vor allem Moderation, Mediation, Dialogmanagement auf der Agenda.
Um in einer Stadt mehr Umweltgerechtigkeit schaffen zu können, ist es zunächst einmal notwendig, die unterschiedlichen Teilräume einer Stadt unter sozialen, sozio-ökonomischen und umweltbezogenen Aspekten miteinander zu vergleichen. Ziel ist es, mehrfach belastete Stadtteile oder Quartiere zu identifizieren, in denen Maßnahmen und Projekte mit Blick auf Umweltgerechtigkeit besonders notwendig sind.
Dafür ist es erforderlich, dass verschiedene Ämter/Fachbereiche der Verwaltung, die dazu Aussagen machen bzw. entsprechende Daten und qualitative Informationen beisteuern können,
- dies überhaupt tun (Kenntnis des Ansatzes Umweltgerechtigkeit, Auftrag von Politik und Verwaltungsspitze),
- dazu mit einem stadtteil- bzw. quartiersbezogenen Blick vorgehen (Orientierung an der Realität vor Ort),
- die thematischen Schnittstellen zu den Zuständigkeiten der Kolleg/innen in den anderen Bereichen erkennen (Perspektive integrierte Stadt[teil]entwicklung)
- und diese gemeinsam mit den anderen qualifizieren (ämterübergreifende Zusammenarbeit).
Die Raumorientierung bildet die Grundlage nicht nur für die Identifizierung von „Mehrfachbelastungen“ – sie ist auch die Basis für Kommunikation und Kooperation zwischen allen beteiligten Akteuren. Sie ist damit zugleich Fokus und „kleinster gemeinsamer Nenner“ für den Ansatz Umweltgerechtigkeit.
Wesentlich für die Betrachtung dieser mehrfach belasteten Räume ist die Frage, wer sich darum aus und mit welcher Perspektive bemüht – dazu bieten sich einige Hintergrundüberlegungen an:
- Räume lassen sich als „Behälter“ mit starren Grenzen und austauschbaren Inhalten betrachten, ähnlich wie Schuhkartons oder Schiffscontainer. Hier wäre Umweltgerechtigkeit „erledigt“, wenn sich Merkmale im Raum verbessert haben und nicht mehr „auffällig“ sind.
- Räume können aber auch als „subjektive Wahrnehmungsorte“ gesehen werden. Hier wird die Sache komplizierter, denn zunächst muss die Frage beantwortet werden, welche Personen mit ihrer jeweiligen Wahrnehmung „recht haben“: die „zuständige“ Verwaltungsmitarbeiterin, der Quartiermanager vor Ort, die „alteingesessene“ Gebietsbewohnerin, …? Oder: Wessen Wahrnehmungen sind „wichtiger“: die des promovierten Amtsleiters oder doch der langzeitarbeitslosen Gebietsbewohnerin mit Zuwanderungshintergrund ohne Hauptschulabschluss?
- Damit zusammenhängend spielt auch die „Betrachtungsposition“ für solche Wahrnehmungen eine große Rolle – stark verkürzt beispielsweise auf das Gegenüber von „Schreibtisch“ und „Straße“.
Deutlich wird auf jeden Fall: Raumorientierung bedeutet in hohem Maße, sich mit den unterschiedlichen „Konstruktionen“ von Raum verschiedener Akteure auseinanderzusetzen, denn Bewohner/innen wandeln sich in dieser Betrachtung von Zielgruppen (von Verwaltungshandeln) zu raumproduzierenden Individuen. Zentral ist daher Kommunikation: fragen, zuhören, kooperieren …
Damit ist auch klar, dass sich Raumorientierung und intensive Aktivierungs- und Beteiligungsprozesse einander bedingen.
Die Komplexität des integrierten Ansatzes Umweltgerechtigkeit erfordert sowohl das Zusammenspiel von Know How unterschiedlicher Akteure innerhalb und außerhalb von Politik und Verwaltung (ressortübergreifende Kooperation innerhalb der Kommunalverwaltung, intensive Aktivierung und Beteiligung der Quartiersbevölkerung und anderer lokaler Akteure) als auch die Bündelung verschiedener Finanzierungsquellen für investive und nicht-investive Maßnahmen und Projekte.
Bei der Mittelbündelung geht es vor allem darum, unterschiedliche Förderprogramme von EU, Bund, Ländern und Kommunen (u.a. Städtebauförderung, kommunale Begrünungsprogramme), kommunale Haushaltsmittel verschiedener Ressorts sowie auch Ressourcen Dritter (Unternehmen, Stiftungen etc.) in das Vorhaben Umweltgerechtigkeit „hineinzubündeln“ bzw. mit dem Quartiersfokus untereinander „passfähig“ zu machen.
Zentral für den Ansatz Umweltgerechtigkeit sind die Aktivierung und Beteiligung der Quartiersbewohnerschaft und anderer lokaler Akteure (zum Beispiel aus dem Bereich Umweltschutz, Gesundheitsvorsorge, Kita-Personal, Lehrer/innen,). Sie sollten intensiv sowohl in die Gebietsanalyse („Blick von innen“) als auch in die bedarfsgerechte, passgenaue Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen und Projekten vor Ort einbezogen werden.
Insgesamt lassen sich unter Aktivierung – stark generalisiert – alle „Techniken“ verstehen, mit denen einzelne Personen oder Personengruppen im Quartier angesprochen und in Kommunikation (miteinander) gebracht werden können: unter anderem aktivierende Befragungen, aufsuchende Arbeit, „Mund-zu-Mund-Propaganda“, Versammlungen, Stadtteilfeste, Gebiets- und Gebäudebegehungen, Informations- und Öffentlichkeitsarbeit.
Beteiligung setzt dagegen auf einer eher formalen Ebene an und basiert auf mehr oder weniger methodisch geplanten Verfahren (bestimmter Ort, festgelegter Zeitrahmen, Moderation) sowie vergleichsweise konkreten Zielvorstellungen (z.B. Diskussion bestimmter Themen, Entwicklung von Projekten). Beispiele sind Stadtteilkonferenzen, Bürgerforen, Runde Tische, Zukunftswerkstätten, (thematische) Arbeitsgruppen.
Neben Aktivierung und Beteiligung geht es – zumindest bei integrierter Quartiersentwicklung – auch darum, lokale Akteure, Initiativen und Organisationen (zum Beispiel aus dem Umweltbereich) miteinander zu vernetzen und die individuellen Problemlösungskompetenzen von Quartiersbewohner/innen zu entwickeln und zu stärken („Empowerment“), beispielsweise durch Qualifizierungs- und Beratungsangebote.
Will eine Kommune den Ansatz Umweltgerechtigkeit realisieren, ist dies mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden:
- Daten unterschiedlicher Fachbereiche der Verwaltung müssen zusammengeführt und/oder Monitoringdaten themen- und gebietsbezogen ausgewertet werden,
- verschiedene Ämter/Fachbereiche müssen stadtteil- bzw. quartiersbezogen zusammenarbeiten und gemeinsam Ziele, Strategien, Konzepte, Maßnahmen und Projekte entwickeln und realisieren,
- dabei Quartiersbewohner/innen und andere lokale Akteure intensiv einbeziehen (Situations- und Bedarfsanalysen, gemeinsame Erarbeitung und Durchführung von Maßnahmen und Projekten) sowie
- Umweltgerechtigkeit in bereits vorhandenen Leitbildern, (Entwicklungs-) Konzepten und Planungen verankern.
Ohne einen konkreten Arbeitsauftrag durch die Kommunalpolitik und eine adäquate Ressourcenbereitstellung wird eine Verwaltung dazu nicht in der Lage sein.