Mehrfach belastete Teilräume identifizieren

Als Handlungsräume für mehr Umweltgerechtigkeit sollten zunächst mehrfach belastete städtische Teilräume identifiziert werden.

Um zu wissen, wo genau in der Kommune Handlungsbedarf für mehr Umweltgerechtigkeit besteht, müssen die Verantwortlichen in der Kommune erst einmal analysieren, in welchen städtischen Teilräumen sich in besonderem Maße umweltbezogene, soziale und gesundheitliche Benachteiligungen, also Mehrfachbelastungen, konzentrieren.

Die Praxis zeigt, dass es hierfür sinnvoll ist, in der Kommune ohnehin bereits vorhandene raumbezogene Daten und Indikatoren zur Umweltsituation sowie zur sozialen und gesundheitlichen Lage heranzuziehen und auszuwerten – und dies möglichst kleinräumig (statistische Bezirke, Baublöcke). Die Ergebnisse der Auswertung können dann unter Verwendung eines Geographischen Informationssystems in thematischen Einzelkarten (z.B. Karte Lärmbelastung, Karte Kinderarmut) sowie durch eine Überlagerung der thematischen Einzelkarten in Mehrfachbelastungskarten (z.B. Karte „Umweltsituation“, Karte „Soziale Lage und Umweltsituation“) visualisiert werden. Eine wichtige Rolle haben in diesem Prozess die kommunale Statistikstelle (Zusammenführung und statistische Auswertung der Daten) sowie das für Geoinformationen zuständige Amt (kartografische Aufbereitung und Darstellung der Daten) – soweit sie in der Kommune eingerichtet  sind.

Für die gesamtstädtische Analyse schlägt das Deutsche Institut für Urbanistik folgende Basisindikatoren vor:

  • Umweltsituation
    • Belastung durch Straßenverkehrslärm,
    • Feinstaub und Stickstoffdioxid,
    • Versorgung mit öffentlichen Grünflächen,
  • Soziale Lage
    • Anteil von Langzeitarbeitslosen,
    • Anteil der erwerbstätigen SGB II-Empfänger/innen,
    • Anteil der Kinderarmut,
    • Anteil der Jugendarbeitslosigkeit,
  • Gesundheitliche Lage
    • Anteil von Kindern mit Übergewicht und Adipositas bei Schuleingangsuntersuchungen,
    • Anteil von Kindern mit grobmotorischen Störungen bei Schuleingangsuntersuchungen.

Dieser Vorschlag soll Kommunen als Orientierungshilfe dienen, um auf der Basis ihrer kommunalen Datenlage ein ortsspezifisches Indikatorenset zu entwickeln. Gibt es beispielsweise in der Kommune andere flächendeckend und kleinräumig vorhandene Daten, die zum Thema Umweltgerechtigkeit einen wichtigen Beitrag leisten können, so sollten diese in die Analyse mit einbezogen werden. Solche Daten können auch eine Alternative zu in der Kommune nicht verfügbaren Indikatoren des Difu-Vorschlags sein. Mit anderen Worten: Es sollten bereits bestehende sektorale oder integrierte Berichts-oder Monitoringsysteme der Kommune genutzt und möglichst keine neuen Erhebungen durchgeführt werden.

Doch was tun, wenn entsprechende Daten und Indikatoren in der Kommune gar nicht oder nur zu einzelnen Aspekten vorliegen? Gerade in kleineren kreisangehörigen Kommunen wird dies häufig der Fall sein. In diesen Fällen ist zum einen das Expertenwissen von Verwaltungsakteuren (Stadtentwicklung, Umwelt, Verkehr, Soziales u.a.) gefragt. Aus ihrem Arbeitsalltag heraus kann die Verwaltung vielfältige Informationen über die Situation in den verschiedenen städtischen Teilräumen beisteuern. Zum anderen können Informationen und Einschätzungen von Vor-Ort-Akteuren wie Quartiermanagement, Familien- und Nachbarschaftszentren, Gemeinwesen- und Sozialarbeit zur sozio-ökonomischen und gesundheitlichen Lage sowie zu gesundheitsrelevanten Umweltbelastungen in „ihren“ Stadtteilen und Quartieren eingeholt werden. In der Gesamtschau und -auswertung des Expertenwissens der verschiedenen Akteure wird es in kleineren Städten meist problemlos gelingen, auch ohne quantitative Daten und Indikatoren Handlungsräume für mehr Umweltgerechtigkeit zu identifizieren.

Dieses wertvolle Expertenwissen sollte aber auch in Kommunen mit einer guten Datenlage zusätzlich genutzt werden. Denn: Nicht selten stellen sich quantitative Analysebefunde „in einem anderen Licht“ dar, wenn bei ihrer Interpretation qualitative Informationen und Einschätzungen mit einfließen.